Am 23. Juni 2025 fand am Schloß-Gymnasium Benrath ein eindrucksvolles und bewegendes Zeitzeugengespräch mit Marie-Luise Knopp, einer ehemaligen Lehrerin aus der DDR, statt. Unterstützt wurde sie dabei von Herr Dr. Hoffmann, der das Gespräch durch wissenschaftliche Einordnungen ergänzte. Ziel der Veranstaltung war es, einen persönlichen Einblick in das Leben in der DDR unter der Kontrolle der Stasi zu bekommen und zu verstehen, wie politische
Unterdrückung das Leben einzelner Menschen geprägt hat.
Ein mutiges Leben im Widerspruch zum System
Marie-Luise Knopp, geboren 1942, war Lehrerin für Geschichte und Deutsch in Leipzig. Schon früh geriet sie in einen inneren Konflikt: Als überzeugte Demokratin fiel es ihr schwer, Inhalte zu unterrichten, mit denen sie sich nicht identifizieren konnte. Vor allem dann, wenn sie die offizielle DDR-Ideologie widerspiegelten. Schließlich wollte sie keine Dinge lehren, hinter denen sie nicht stand. Ihr Wunsch nach freiem
Denken und freier Meinungsäußerung brachte sie zunehmend in
Konflikt mit dem Regime.
In einem mutigen Schritt stellte Frau Knopp einen Antrag, um einmal in die Bundesrepublik Deutschland reisen zu dürfen. Diese Bitte weckte die Aufmerksamkeit der Stasi und bald auch ihren Zorn.
Stasi-Überwachung, Einbruch und Verhaftung
Von da an fühlte sich Marie-Luise Knopp zunehmend beobachtet.
Eines Tages stellte sie fest, dass ihre Haustür nicht abgeschlossen war. Schnell wurde ihr klar, dass die Stasi in ihre Wohnung eingedrungen war, vermutlich auf der Suche nach Materialien, die auf regimekritisches Verhalten hinweisen könnten. Spätestens ab diesem Zeitpunkt lebte sie in ständiger Angst und Unsicherheit.
Kurz darauf wurde sie, als sie ihren Sohn von der Schule abholen wollte, von der Stasi verhaftet. Ihr wurde versuchte Republikflucht vorgeworfen. Es folgte eine einjährige Inhaftierung im Frauengefängnis Burg Hoheneck, getrennt von ihrem Sohn, der damals erst in der ersten Klasse war. Schon damals hat sie die Trennung tief erschüttert und bis heute hat sich der Schmerz nicht gelegt.
Das Leben im Frauengefängnis
Im Gefängnis wurde sie mit harten Bedingungen konfrontiert: Zwölf Frauen in einer Zelle, darunter nicht nur politische Gefangene, sondern auch Kriminelle. Die hygienischen Zustände waren schlecht, die Ernährung unzureichend, und die Arbeit hart. Besonders bedrückend war die Arbeit auf dem Dach: bei eisiger Kälte im Winter und brütender Hitze im Sommer. Dort mussten sie alte Polizeikleidung waschen und neu nähen. Kleidung, die später zum Beispiel bei Aldi verkauft wurde. Frau Knopp erzählte sehr melancholisch von dieser Zeit. Besonders berührend war ihre Aussage, dass sie lieber auf dem Boden schlief als auf der unhygienischen Matratze. Eine kleine Hoffnung war ihre Freundin, mit der sie zusammen inhaftiert war und doch wurde nur Frau Knopp entlassen, was ihr sehr leidtat. Ihre Freundin hat sie danach nie wieder gesehen.
Entlassung, Busfahrt und der Schritt in die Freiheit
Nach ihrer Entlassung war Frau Knopp körperlich stark abgemagert.
Ihre Kleidung war ihr viel zu groß geworden. Damit ihr schlechter
Zustand nicht zu sehr auffiel, wurde sie vor ihrer Ausreise gezielt ernährt und „aufgepäppelt“. Dann kam der Moment, in dem sie zusammen mit anderen in einen Bus gesetzt wurde. Wohin es ging, wusste niemand so genau. Die Atmosphäre war angespannt. Später mussten sie in einen anderen Bus umsteigen.
Erst danach erfuhren die Beteiligten, dass sie staatenlos seien und in die BRD ausreisen würden. Dieser Moment war für alle im Bus von großer Bedeutung. Es war eine überwältigende Nachricht, doch niemand traute sich, seine Freude offen zu zeigen, aus Angst vor möglichen Konsequenzen. Denn obwohl sie „frei“ waren, fühlten sie sich noch immer beobachtet.
Frau Knopp erklärte, dass sie, wie viele andere politische Gefangene, von der Bundesrepublik freigekauft wurde. Die DDR ließ diese Gefangenen nur aus wirtschaftlichen Gründen frei, da die BRD für jede einzelne Person eine hohe Geldsumme zahlte. Für die DDR war das eine lukrative Einnahmequelle,
für die Häftlinge jedoch war es die Eintrittskarte in ein neues Leben. Auswirkungen und bleibende Spuren
Nach der Entlassung erhielt Frau Knopp eine Urkunde, die sie noch heute besitzt: Sie war nun offiziell staatenlos, kein Bürger der DDR mehr. Dieses Dokument zeigte sie während des Gesprächs voller Stolz in der Klasse. Die Wiedervereinigung mit ihrem Sohn war ein emotionaler Moment. In ihrer Abwesenheit hatte die Tante den Jungen aufgezogen. Später kamen auch ihre Mutter, als Rentnerin und ihr Sohn dauerhaft in die Bundesrepublik.
Trotz ihrer Freiheit leidet Frau Knopp bis heute unter den Erlebnissen dieser Zeit. Sie fühlt sich manchmal immer noch beobachtet, misstrauisch gegenüber dem Staat und dem System. Auch ihr Sohn ist bis heute durch die Trennung belastet. Er spricht ungern über die Zeit in der DDR und vermeidet das Thema.
Der Ablauf des Gesprächs
Das Zeitzeugengespräch war sehr offen gestaltet. Während Frau Knopp erzählte, konnten jederzeit Fragen gestellt werden, sowohl an sie als auch an Herrn Dr. Hoffmann, der historische Hintergründe erklärte. An einigen Stellen wurden auch Passagen aus den Büchern von Frau Knopp und ihrer Freundin vorgelesen, insbesondere, wenn es um Themen ging, über die Frau Knopp selbst nicht sprechen konnte oder wollte.
Es wurde auch deutlich, wie stark ein autoritäres System das Leben eines Menschen, sogar bis heute, beeinflussen kann. Frau Knopp beschrieb sich selbst als „Rebellin“, obwohl sie das in der DDR nie sein wollte. Sie wollte einfach nur frei denken und lehren. Doch genau das wurde ihr zum Verhängnis.
Das Zeitzeugengespräch mit Marie-Luise Knopp war eine eindrucksvolle und bewegende Erfahrung. Es zeigte uns, wie wichtig es ist, Geschichte nicht nur aus Schulbüchern zu lernen, sondern auch durch persönliche Erlebnisse und Erinnerungen zu begreifen. Frau Knopps Mut, ihr Schicksal mit uns zu teilen, hat uns neue Perspektiven eröffnet: auf die DDR, auf Freiheit, aber auch auf die Spuren, die ein Unrechtsstaat im Leben eines Menschen hinterlassen kann.
Verfasst von: Elif Ceren Dagli, Vida Hashemi, (Ahmed Ali, Ilhan Aslan)